Bevor es losging mit der Fahrt Richtung
Westen, verbrachte ich noch zwei Tage in Irkutsk. Am Montag, 19. September,
traf ich mich nochmals mit Andrej und Olga in Irkutsk. Diese beiden trafen wir
in Arshan Alla, das sind die mit dem Wohnwagen. Nach den Erfahrungen mit Azat
war ich zuerst etwas skeptisch, da es sich bei Andrej ja auch eher um jemanden
handelt, der vermögend ist. Ich liess mich aber trotzdem darauf ein und so
wurde ich bei meiner Pension in Irkutsk abgeholt und wir fuhren zum Ufer der
Angara in ein pikfeines Restaurant. Andrej machte auch gleich klar, dass ich
eingeladen bin und nehmen soll, wonach mir der Sinn steht. Es war ein
spannender und interessanter „Business Lunch“, wir redeten viel, vorallem über
Reisen. Bei Andrej habe ich das Gefühl, die einzige Gegenleistung, die er
möchte, ist, dass ich ihn in mein Projekt miteinbeziehe. Er will mir mit seinen
guten Kontakten und seinem breiten Wissen helfen. Und das werde ich natürlich
nicht ausschlagen!
Der nächste Tag war reserviert für Shopping.
Souvenirs, Geschirr etc. für den Magirus usw.
An Abend ging ich mit Felix, dem Schweizer
Gast bei Igor, essen.
Und nun ist er doch noch gekommen, der 21.
September, der Tag der Rückkehr. Irkutsk-Lisa und Igor kamen noch vorbei um den
Magirus auch mal von innen zu sehen und um sich zu verabschieden.
Mit Igor fuhr
ich danach bis nach Angarsk, das ist ca. 40 Minuten von Irkutsk weg und liegt
am Heimweg. Da besuchten wir seine Tochter Inga und ihren Mann Aleksandr, die
beide sehr interessiert waren am Magirus. Aleksandr ist Direktor der Firma
Taiga-Products (> www.taigaproduct.com),
die Kräutertee usw. aus Kräutern (ist ja logisch, aus was wird Kräutertee denn
sonst hergestellt) aus der Taiga produzieren. Dementsprechend kennt er sich gut
aus in der weiteren Umgebung und wollte mir auch noch ein paar Tipps geben für
die nächste Reise.
Nach diesem Kurzbesuch fuhr ich dann doch definitiv alleine
weiter. Im ersten Moment nicht ganz einfach, aber ich gewöhnte mich schnell
daran. Beim Mittagshalt gab es wohl ein letztes Mal „Baikal“!
Am heutigen Tag
und am Tag darauf musste ich nicht so viel fahren, da ich einen Zwischenhalt in
Tayshet machen wollte.
Und Igor (der Gastgeber in Tayshet heisst ebenfalls
Igor) war erst am 22. September wieder zu Hause. Bei ihm waren wir auf der
Hinreise ebenfalls zu Gast. Also traf ich am Nachmittag des 22. Septembers bei
Igor ein.
Ein herzlich warmer Empfang, wir freuten uns sehr, uns wieder zu
sehen. Während Igor die Banja und das Nachtessen vorbereitete, machte ich auf
seine Empfehlung hin eine kleine Sightseeing-Tour durch Tayshet. Ich besuchte das
mässig sehenswerte Museum, hingegen der Bahnhof mit dem unglaublichen
Güterverkehr war sehr spannend. Auch sonst gab es einige Trouvaillen zu
entdecken. So zum Beispiel der von italienischen Ingenieuren anfangs des
20. Jhd. erbaute Wasserturm. Und das Sowjeterbe ist überall omnipräsent. Auch
die Heldendenkmäler des „Grossen Vaterländischen Krieges“. Da stellt sich einem
auch die Frage, wo denn die „Heldendenkmäler“ der anderen Kriege wie
Afghanistan, Tschetschenien, Georgien und Ukraine sind...
Danach zurück und
Banja geniessen. Wird wohl die letzte sein für lange Zeit... Beim Nachtessen
viel mit Igor geredet, er erzählte manch interessante Sache über Tayshet und
kennt viele Leute in der Schweiz. Wenn immer möglich, werde ich bei ihm ein
Zwischenhalt einlegen.
Das Ziel des nächsten Tages war
Krasnojarsk, wo ich wieder bei Natalias Eltern zu Gast sein durfte. Die Fahrt
dahin verlief gut, die Strassen grösstenteils gut ausgebaut, Baustellen gab es
im Gegensatz zur Hinreise fast keine mehr. Nur der Verkehr nimmt deutlich zu,
je westlicher ich komme.
Am späteren Nachmittag traf ich in
Krasnojarsk ein und wurde wieder ganz herzlich empfangen. Es sind so liebe Leute!
Dann gab es natürlich etwas zu Essen, Natalias Schwester Anastasja kam auch
noch vorbei und es wurde eine lustige Runde. Trotzdem, dass ich die Uhr eine
Stunde zurückstellen konnte, ging ich früh zu Bett.
Der nächste Tag war reserviert für diverse
Arbeiten am Compi, Natelguthaben aufladen und Coiffeur. Jawohl, ich musste doch
endlich die Haare schneiden. Ein bisschen ein mulmiges Gefühl, auch wegen der
Sprachbarriere. Aber sie machte ihren Job ordentlich und es bedurfte keiner
Nachkorrektur.
Nach dem gemeinsamen Nachtessen mit den Natalias Eltern gab es noch
viel Eingemachtes, was ich für Natalia mitnehmen musste. Und ich kriegte auch
noch eine beachtliche Menge davon, sowie sonst viele Lebensmittel, die der
Garten hergab. Der Kühlschrank ist auf jedenfall gefüllt!
Nach einem kräftigen Frühstück und einer
herzlichen Verabschiedung ging meine Fahrt Richtung Westen weiter. Unterwegs
auf einem Rastplatz die Bremsen nachgestellt, da die Wirkung bedenklich
nachliess. Die haben da ganz praktische Servicerampen.
Bei einer Tankstelle
auch noch gleich das Öl der Hinterachsen und Vorderachsen gewechselt, da ich
feststellte, dass es mehr eine Emulsion war denn Öl. Offensichtlich lief doch
Wasser ins Differential, als ich damals im Flussbett stecken blieb. Dafür war
leider das Bier im Tankwagen ausgegangen...
Danach ging die Fahrt unvermindert
weiter, es fuhr mit mir. Kurz vor Novosibirsk nach ca. 750 Kilometer endlich
auf einer Raststätte angehalten.
Die nächsten Tage verbrachte ich eigentlich
nur hinter dem Lenkrad und im Bett. Die Fahrt zwischen Novosibirsk und
Tscheljabinsk führt durch die Westsibirische Tiefebene, und der Name war
Programm. Flacher als Holland, die ganze Zeit ungefähr 100 müM, tausende
Kilometer weit. Und dann soll es Leute geben, die diese Strecke mit dem Fahrrad
fahren... Alle Achtung! Es können hunderte Kilometer gefahren werden, ohne
einmal zu schalten... Immer geradeaus, leichte, weite Kurven, genug
Gelegenheiten zum Überholen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei mind. 80
km/h. Für etwas Spannung sorgten die im zum Teil ungewohnten Stil gebauten
Raststätten...
So kam ich an Omsk vorbei, schlug den Weg
Richtung Kurgan ein und überwand mein Trauma von der Hinreise. Just in dieser
Gegend auf einem sehr schlechten Strassenabschnitt, schlug die Vorderachse auf
die Ölwanne auf und die erste grosse Panne war da. Nun, auf dem Rückweg ging
alles glatt, mir kam auch die Strasse nicht mehr so schlimm vor. Na ja,
inzwischen bin ich mir ja auch anderes gewohnt...
Ab Tscheljabinsk ist nun auch Moskau
ausgeschildert, jetzt ist es nicht mehr so weit nach Hause. Tscheljabinsk
markiert die Mitte meiner Reise, in beide Richtungen sind es etwa 4'000
Kilometer. Danach wurde die Gegend wieder etwas spannender, es geht durch den
Ural. Dieser zeigte sich von seiner freundlichen Seite und im prächtigen
Herbstgewand.
Die Fahrt wurde durch die verschiedenen
Strassenverkaufsstände auch noch viel abwechslungsreicher... Selbstverständlich
hielt ich nochmals bei der Grenze Asien/Europa an und schaute ein bisschen
wehmütig Richtung Osten... Das war’s nun definitiv mit Sibirien!
Je westlicher ich kam, desto dichter wurde
der Verkehr. Es ist fast unglaublich, was die für einen Schwerverkehr haben. 80
– 90 % der Fahrzeuge sind grosse LKW.
Am Nachmittag des 28. Septembers erreichte
ich Ufa.
Hier hatte ich mit der deutschsprachigen Fremdenführerin Aigul
abgemacht, sie wird mir die Stadt zeigen. Beim Hotel mitten in der Stadt gab es
ein kleineres Parkplatzproblem, doch dann stand ich halt ganz einfach direkt
vor dem Hotel. Die Einfahrt für ihren Parkplatz war bloss ca. 2.5 Meter hoch.
Das Hotel Astoria ist ein ziemlich schräger Laden, die Wände auf meinem
Stockwerk in dunklen Backstein gehalten, auch die Eingangshalle eher düster, aber die Rezeptionistin dafür freundlich und hilfsbereit.
Die Zimmer sind sauber und es ist sehr ruhig. Nach dem Einchecken endlich wieder
mal duschen und danach war Zeit, die nähere Umgebung etwas anzuschauen. In den
„Arkaden“ rumgeschlendert, welches früher die Karawanserei war und jetzt ein
Kommerztempel. Eigentlich ja das selbe. Und es war recht lustig, was es alles
so für Verkaufsstände gab und was alles feilgeboten wurde.
Ich erlebe Ufa als sehr lebendige Stadt,
ganz klar europäisch ausgerichtet...!
Eine Universitätsstadt mit enorm vielen
jungen Menschen. Die Stadt ist architektonisch sehr abwechslungsreich, viele
Neubauten aber auch viele gut erhaltene historische Häuser.
Hie und da
versuchen auch alte, typisch russische Holzhäuser ihr Dasein gegen die immer
näherrückenden Neubauten zu behaupten.
Auch kommen sie den RollstuhlfahrerInnen
sehr entgegen, wenn denn die Spurbreite stimmt...
Am Nachmittag des 29. Septembers traf ich
mich mit Aigul, die bereits im Sommer eine kurze Führung für uns gemacht hat.
Nun zeigte sie mir verschiedene andere Sehenswürdigkeiten und Plätze der Stadt
und wusste viel zu erzählen. Es war interessant und sehr angenehm, vorallem,
dass die Führung auf Deutsch war!
Und dann kam wieder Azat ins Spiel. Ihr
wisst schon, der Leiter des Zentrums für Tibetische Medizin. Natürlich hat
irgendjemand meinen Lastwagen vor dem Hotel gesehen und Azat informiert. Er liess
mir via Rezeption ausrichten, ich solle ihn anrufen. Darauf hatte ich aber
verständlicherweise kein Interesse. So. Und ich liess ebenfalls via Rezeption
ausrichten, dass ich keine Zeit hätte und früh am Morgen weiterfahren werde.
Darauf kam ein Mail von ihm, ich hätte mich nicht korrekt verhalten! Ich
schrieb zurück, er selber hätte gesagt, dass er zu dem Zeitpunkt, wenn ich in
Ufa sei, keine Zeit hätte und ausserdem sei er ja beleidigt und enttäuscht
gewesen, da ich nur magere Geschenke gebracht hätte. Für mich war die Sache
somit erledigt. Ich genoss die Stadtführung und das anschliessende Nachtessen
in einem wirklich sehr gemütlichen und hübsch eingerichteten Teehaus. Ausserdem
war das Essen sehr lecker.
Am Freitag, 30. September, machte ich mir
einen gemütlichen Morgen, genoss das reichhaltige Frühstück in wohliger
Umgebung und fuhr dann so um zehn Uhr mal los.
Heute konnte ich es ruhig
angehen, ich musste erst am 1. Oktober in Kasan sein. So fuhr ich bis kurz nach
Nabereshnije Chelny (oder Kamaz-City).
Natürlich wollte ich das Kamaz-Werk
besichtigen, meldete mich am 29. September an und bekam doch tatsächlich
Antwort. Leider musste man sich 10 Tage im Voraus anmelden, aber es gäbe
Führungen und Besichtigungen. So muss ich halt bis nächstes Jahr warten.
Alte Erinnerungen wurden wach, als ich an der für uns schönsten Raststätte vorbeirauschte, die wir auf der Hinreise anfuhren.
Auf einem riesigen Truckstop angehalten und
Feierabend gemacht. Die Uhr diesmal sogar zwei Stunden zurückstellen. Jetzt bin
ich nur noch eine Stunde voraus. Und auf dem Parkplatz gab es sogar ein
sensationelles WLAN. Und jetzt kommts: von Azat bekam ich ein Mail, worin er
schrieb, dass alles von Veronika erstunken und erlogen war! Es sei überhaupt
nicht wahr, dass er sich benachteiligt gefühlt hätte und seine Gastfreundschaft
sei aufrichtig und echt gewesen. Veronika verlor darauf ihren Job, sie stellten sie umgehend auf die
Strasse! Ich habe keine Ahnung, was für ein Teufel sie geritten hatte, mir
solche Sachen zu schreiben. Auf jedenfall entschuldigte ich mich bei Azat in
aller Form und hoffe, ihn trotz allem wieder einmal treffen zu können. Es fiel mir ein
riesiger Stein vom Herzen, dass ich mich in diesem Menschen doch nicht
getäuscht hatte. Und so nahm die seltsame Geschichte mit Azat doch noch ein
glückliches Ende.
So konnte ich mit leichterem Herzen Ufa
und Baschkortostan verlassen und bin nun ein Weilchen in Tatarstan unterwegs.