Freitag, 30. September 2016

Heimfahrt Teil 1



Bevor es losging mit der Fahrt Richtung Westen, verbrachte ich noch zwei Tage in Irkutsk. Am Montag, 19. September, traf ich mich nochmals mit Andrej und Olga in Irkutsk. Diese beiden trafen wir in Arshan Alla, das sind die mit dem Wohnwagen. Nach den Erfahrungen mit Azat war ich zuerst etwas skeptisch, da es sich bei Andrej ja auch eher um jemanden handelt, der vermögend ist. Ich liess mich aber trotzdem darauf ein und so wurde ich bei meiner Pension in Irkutsk abgeholt und wir fuhren zum Ufer der Angara in ein pikfeines Restaurant. Andrej machte auch gleich klar, dass ich eingeladen bin und nehmen soll, wonach mir der Sinn steht. Es war ein spannender und interessanter „Business Lunch“, wir redeten viel, vorallem über Reisen. Bei Andrej habe ich das Gefühl, die einzige Gegenleistung, die er möchte, ist, dass ich ihn in mein Projekt miteinbeziehe. Er will mir mit seinen guten Kontakten und seinem breiten Wissen helfen. Und das werde ich natürlich nicht ausschlagen!
Der nächste Tag war reserviert für Shopping. Souvenirs, Geschirr etc. für den Magirus usw.
An Abend ging ich mit Felix, dem Schweizer Gast bei Igor, essen.

Und nun ist er doch noch gekommen, der 21. September, der Tag der Rückkehr. Irkutsk-Lisa und Igor kamen noch vorbei um den Magirus auch mal von innen zu sehen und um sich zu verabschieden.


Mit Igor fuhr ich danach bis nach Angarsk, das ist ca. 40 Minuten von Irkutsk weg und liegt am Heimweg. Da besuchten wir seine Tochter Inga und ihren Mann Aleksandr, die beide sehr interessiert waren am Magirus. Aleksandr ist Direktor der Firma Taiga-Products (> www.taigaproduct.com), die Kräutertee usw. aus Kräutern (ist ja logisch, aus was wird Kräutertee denn sonst hergestellt) aus der Taiga produzieren. Dementsprechend kennt er sich gut aus in der weiteren Umgebung und wollte mir auch noch ein paar Tipps geben für die nächste Reise. 



Nach diesem Kurzbesuch fuhr ich dann doch definitiv alleine weiter. Im ersten Moment nicht ganz einfach, aber ich gewöhnte mich schnell daran. Beim Mittagshalt gab es wohl ein letztes Mal „Baikal“! 


Am heutigen Tag und am Tag darauf musste ich nicht so viel fahren, da ich einen Zwischenhalt in Tayshet machen wollte. 




Und Igor (der Gastgeber in Tayshet heisst ebenfalls Igor) war erst am 22. September wieder zu Hause. Bei ihm waren wir auf der Hinreise ebenfalls zu Gast. Also traf ich am Nachmittag des 22. Septembers bei Igor ein. 


Ein herzlich warmer Empfang, wir freuten uns sehr, uns wieder zu sehen. Während Igor die Banja und das Nachtessen vorbereitete, machte ich auf seine Empfehlung hin eine kleine Sightseeing-Tour durch Tayshet. Ich besuchte das mässig sehenswerte Museum, hingegen der Bahnhof mit dem unglaublichen Güterverkehr war sehr spannend. Auch sonst gab es einige Trouvaillen zu entdecken. So zum Beispiel der von italienischen Ingenieuren anfangs des 20. Jhd. erbaute Wasserturm. Und das Sowjeterbe ist überall omnipräsent. Auch die Heldendenkmäler des „Grossen Vaterländischen Krieges“. Da stellt sich einem auch die Frage, wo denn die „Heldendenkmäler“ der anderen Kriege wie Afghanistan, Tschetschenien, Georgien und Ukraine sind... 











Danach zurück und Banja geniessen. Wird wohl die letzte sein für lange Zeit... Beim Nachtessen viel mit Igor geredet, er erzählte manch interessante Sache über Tayshet und kennt viele Leute in der Schweiz. Wenn immer möglich, werde ich bei ihm ein Zwischenhalt einlegen.
Das Ziel des nächsten Tages war Krasnojarsk, wo ich wieder bei Natalias Eltern zu Gast sein durfte. Die Fahrt dahin verlief gut, die Strassen grösstenteils gut ausgebaut, Baustellen gab es im Gegensatz zur Hinreise fast keine mehr. Nur der Verkehr nimmt deutlich zu, je westlicher ich komme.





Am späteren Nachmittag traf ich in Krasnojarsk ein und wurde wieder ganz herzlich empfangen. Es sind so liebe Leute! Dann gab es natürlich etwas zu Essen, Natalias Schwester Anastasja kam auch noch vorbei und es wurde eine lustige Runde. Trotzdem, dass ich die Uhr eine Stunde zurückstellen konnte, ging ich früh zu Bett.
Der nächste Tag war reserviert für diverse Arbeiten am Compi, Natelguthaben aufladen und Coiffeur. Jawohl, ich musste doch endlich die Haare schneiden. Ein bisschen ein mulmiges Gefühl, auch wegen der Sprachbarriere. Aber sie machte ihren Job ordentlich und es bedurfte keiner Nachkorrektur.
Nach dem gemeinsamen Nachtessen mit den Natalias Eltern gab es noch viel Eingemachtes, was ich für Natalia mitnehmen musste. Und ich kriegte auch noch eine beachtliche Menge davon, sowie sonst viele Lebensmittel, die der Garten hergab. Der Kühlschrank ist auf jedenfall gefüllt!
Nach einem kräftigen Frühstück und einer herzlichen Verabschiedung ging meine Fahrt Richtung Westen weiter. Unterwegs auf einem Rastplatz die Bremsen nachgestellt, da die Wirkung bedenklich nachliess. Die haben da ganz praktische Servicerampen. 




Bei einer Tankstelle auch noch gleich das Öl der Hinterachsen und Vorderachsen gewechselt, da ich feststellte, dass es mehr eine Emulsion war denn Öl. Offensichtlich lief doch Wasser ins Differential, als ich damals im Flussbett stecken blieb. Dafür war leider das Bier im Tankwagen ausgegangen... 



Danach ging die Fahrt unvermindert weiter, es fuhr mit mir. Kurz vor Novosibirsk nach ca. 750 Kilometer endlich auf einer Raststätte angehalten. 




Die nächsten Tage verbrachte ich eigentlich nur hinter dem Lenkrad und im Bett. Die Fahrt zwischen Novosibirsk und Tscheljabinsk führt durch die Westsibirische Tiefebene, und der Name war Programm. Flacher als Holland, die ganze Zeit ungefähr 100 müM, tausende Kilometer weit. Und dann soll es Leute geben, die diese Strecke mit dem Fahrrad fahren... Alle Achtung! Es können hunderte Kilometer gefahren werden, ohne einmal zu schalten... Immer geradeaus, leichte, weite Kurven, genug Gelegenheiten zum Überholen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei mind. 80 km/h. Für etwas Spannung sorgten die im zum Teil ungewohnten Stil gebauten Raststätten...
So kam ich an Omsk vorbei, schlug den Weg Richtung Kurgan ein und überwand mein Trauma von der Hinreise. Just in dieser Gegend auf einem sehr schlechten Strassenabschnitt, schlug die Vorderachse auf die Ölwanne auf und die erste grosse Panne war da. Nun, auf dem Rückweg ging alles glatt, mir kam auch die Strasse nicht mehr so schlimm vor. Na ja, inzwischen bin ich mir ja auch anderes gewohnt... 











Ab Tscheljabinsk ist nun auch Moskau ausgeschildert, jetzt ist es nicht mehr so weit nach Hause. Tscheljabinsk markiert die Mitte meiner Reise, in beide Richtungen sind es etwa 4'000 Kilometer. Danach wurde die Gegend wieder etwas spannender, es geht durch den Ural. Dieser zeigte sich von seiner freundlichen Seite und im prächtigen Herbstgewand. 





Die Fahrt wurde durch die verschiedenen Strassenverkaufsstände auch noch viel abwechslungsreicher... Selbstverständlich hielt ich nochmals bei der Grenze Asien/Europa an und schaute ein bisschen wehmütig Richtung Osten... Das war’s nun definitiv mit Sibirien!







Je westlicher ich kam, desto dichter wurde der Verkehr. Es ist fast unglaublich, was die für einen Schwerverkehr haben. 80 – 90 % der Fahrzeuge sind grosse LKW.



Am Nachmittag des 28. Septembers erreichte ich Ufa. 


Hier hatte ich mit der deutschsprachigen Fremdenführerin Aigul abgemacht, sie wird mir die Stadt zeigen. Beim Hotel mitten in der Stadt gab es ein kleineres Parkplatzproblem, doch dann stand ich halt ganz einfach direkt vor dem Hotel. Die Einfahrt für ihren Parkplatz war bloss ca. 2.5 Meter hoch. 


Das Hotel Astoria ist ein ziemlich schräger Laden, die Wände auf meinem Stockwerk in dunklen Backstein gehalten, auch die Eingangshalle eher düster, aber die Rezeptionistin dafür freundlich und hilfsbereit.


Die Zimmer sind sauber und es ist sehr ruhig. Nach dem Einchecken endlich wieder mal duschen und danach war Zeit, die nähere Umgebung etwas anzuschauen. In den „Arkaden“ rumgeschlendert, welches früher die Karawanserei war und jetzt ein Kommerztempel. Eigentlich ja das selbe. Und es war recht lustig, was es alles so für Verkaufsstände gab und was alles feilgeboten wurde.






Ich erlebe Ufa als sehr lebendige Stadt, ganz klar europäisch ausgerichtet...!


Eine Universitätsstadt mit enorm vielen jungen Menschen. Die Stadt ist architektonisch sehr abwechslungsreich, viele Neubauten aber auch viele gut erhaltene historische Häuser. 




Hie und da versuchen auch alte, typisch russische Holzhäuser ihr Dasein gegen die immer näherrückenden Neubauten zu behaupten. 



Auch kommen sie den RollstuhlfahrerInnen sehr entgegen, wenn denn die Spurbreite stimmt...


Am Nachmittag des 29. Septembers traf ich mich mit Aigul, die bereits im Sommer eine kurze Führung für uns gemacht hat. Nun zeigte sie mir verschiedene andere Sehenswürdigkeiten und Plätze der Stadt und wusste viel zu erzählen. Es war interessant und sehr angenehm, vorallem, dass die Führung auf Deutsch war!









Und dann kam wieder Azat ins Spiel. Ihr wisst schon, der Leiter des Zentrums für Tibetische Medizin. Natürlich hat irgendjemand meinen Lastwagen vor dem Hotel gesehen und Azat informiert. Er liess mir via Rezeption ausrichten, ich solle ihn anrufen. Darauf hatte ich aber verständlicherweise kein Interesse. So. Und ich liess ebenfalls via Rezeption ausrichten, dass ich keine Zeit hätte und früh am Morgen weiterfahren werde. Darauf kam ein Mail von ihm, ich hätte mich nicht korrekt verhalten! Ich schrieb zurück, er selber hätte gesagt, dass er zu dem Zeitpunkt, wenn ich in Ufa sei, keine Zeit hätte und ausserdem sei er ja beleidigt und enttäuscht gewesen, da ich nur magere Geschenke gebracht hätte. Für mich war die Sache somit erledigt. Ich genoss die Stadtführung und das anschliessende Nachtessen in einem wirklich sehr gemütlichen und hübsch eingerichteten Teehaus. Ausserdem war das Essen sehr lecker.
Am Freitag, 30. September, machte ich mir einen gemütlichen Morgen, genoss das reichhaltige Frühstück in wohliger Umgebung und fuhr dann so um zehn Uhr mal los. 




Heute konnte ich es ruhig angehen, ich musste erst am 1. Oktober in Kasan sein. So fuhr ich bis kurz nach Nabereshnije Chelny (oder Kamaz-City). 


Natürlich wollte ich das Kamaz-Werk besichtigen, meldete mich am 29. September an und bekam doch tatsächlich Antwort. Leider musste man sich 10 Tage im Voraus anmelden, aber es gäbe Führungen und Besichtigungen. So muss ich halt bis nächstes Jahr warten.






Alte Erinnerungen wurden wach, als ich an der für uns schönsten Raststätte vorbeirauschte, die wir auf der Hinreise anfuhren. 



Auf einem riesigen Truckstop angehalten und Feierabend gemacht. Die Uhr diesmal sogar zwei Stunden zurückstellen. Jetzt bin ich nur noch eine Stunde voraus. Und auf dem Parkplatz gab es sogar ein sensationelles WLAN. Und jetzt kommts: von Azat bekam ich ein Mail, worin er schrieb, dass alles von Veronika erstunken und erlogen war! Es sei überhaupt nicht wahr, dass er sich benachteiligt gefühlt hätte und seine Gastfreundschaft sei aufrichtig und echt gewesen. Veronika verlor darauf ihren Job, sie stellten sie umgehend auf die Strasse! Ich habe keine Ahnung, was für ein Teufel sie geritten hatte, mir solche Sachen zu schreiben. Auf jedenfall entschuldigte ich mich bei Azat in aller Form und hoffe, ihn trotz allem wieder einmal treffen zu können. Es fiel mir ein riesiger Stein vom Herzen, dass ich mich in diesem Menschen doch nicht getäuscht hatte. Und so nahm die seltsame Geschichte mit Azat doch noch ein glückliches Ende.
So konnte ich mit leichterem Herzen Ufa und Baschkortostan verlassen und bin nun ein Weilchen in Tatarstan unterwegs.